19.02.2008 (c) by Weibipower

 

 
Es gibt diese Tage, an denen du morgens aufstehst und damit deinen ersten Fehler machst. Du schlurfst ins Bad und denkst:
Was für eine hässliche Welt. Vielleicht denkst du auch:
Was für ein hässliches Bad. Auf jeden Fall findest du irgendetwas hässlich, und deine Nerven liegen blank wie das rohe Fleisch unter dem Fingernagel, den du in Gedanken an bessere Zeiten viel zu grosszügig kürzt. Du versuchst das Omen zu ignorieren und machst weiter wie jeden Tag. Bis es passiert. Irgendetwas Blödes passiert. Irgendetwas Blödes, das so blöd ist, dass man dafür einen neuen Namen erfinden müsste. Jeder Choleriker, der in aller Eile ein Tempo mitgewaschen hat, weiss, wovon ich rede. Es ist einer dieser Tage, die extra geschaffen wurden, um dich fertig zu machen.
Das Schlimmste aber, was dir so ein Tag bescheren kann, sind fröhliche Menschen. Ich rede von Heiterkeit, von der sogenannten guten Laune, also von jenem asozialen, selbstgefälligen Ignorantentum, das sich breitbeinig vor dir aufbaut und tönt: "Dein zu kurzer Fingernagel ist mir völlig schnuppe; ich hab´ trotzdem Spass. Und dass du ein Tempo mitgewaschen hast - hey Mann, was macht das schon?"
Natürlich bleiben dir diese Menschen an so einem Tag nicht erspart. Womöglich stellst du fest, dass du kein Brot mehr im Haus hast und landest daraufhin ausgerechnet in den Fängen der immer netten Backwarenverkäuferin vom immer kundenfreundlichen Supermarkt. Schon der Anblick, wie sie freudestrahlend das Blech mit den frischen Brötchen aus dem Ofen zieht, lässt dich vor Abscheu erschaudern. Sie strahlt, als hätte sie gerade Fünflinge zur Welt gebracht. Und natürlich ist sie sofort zur Stelle, um dich mit ihrem übergeschnappten Grinsen zu infizieren. Doch heute wird sie gegen Granit grinsen, denn was sie nicht weiss, heute hast du einen Trumpf - deine miese Laune. Du beschliesst, diesen Trumpf gnadenlos auszuspielen. Da kann sie dich noch so anstrahlen aus ihren polierten Puppenpupillen, du lächelst einfach nicht. Im Gegenteil, heute ist der Tag, an dem sie ihren Meister finden, der Tag, an dem sie geschlagen das Feld räumen wird, ernüchtert und nicht mehr lächelnd. Während die Schwerkraft in alter Treue an deinen Mundwinkeln zieht, nickst du an der Frau vorbei ins Leere und raunst nur ein einziges Wort: "Brot".
Sofort fängt sie an aufzuzählen: "Ich habe Kürbiskopf, Gerstenkorn, Hasenscharte..." Du wartest bis sie zu Ende gesungen hat und fragst dann: "Haben sie auch Brötchen?" Allein diese Frage wäre jedem gestandenen Bäckermeister Anlass genug, dir mit einem gut gelagerten Dreikantbrot das Nasenbein zu plätten. Sie aber grient nur artig und beginnt ihre Litanei aufs Neue. Du schaust, wo sie am schlechtesten rankommt und deutest mit dem Ziegefinger auf die Auslage direkt vor dir. "Wie viele?" fragt sie, und du sagst freiweg zwanzig. Bevor sie abtaucht, strahlt sie dich noch einmal an, doch du lächelst nicht, denn du weisst, du hättest sie auch in einen Gully schicken können, und sie hätte sich genauso gefreut. Sie fängt an einzutüten, und als sie bei neunzehn ist, sagst du: "Eigentlich reichen drei." Natürlich sagt sie: "Kein Problem!" und grinst von unten durch die Scheibe, als wärst du der psychopathische Juniorchef, der jederzeit einen seiner Anfälle kriegen kann. Dann hat sie die Brötchen in der Tüte, und du fragst: "Sind die frisch?" "Aber selbstverständlich", sagt sie, "ofenfrisch." Du starrst sie lange regungslos an. Sehr lange. Sehr regungslos. Verglichen mit dir ist Charles Bronson ein überdrehter Zappelphilipp. Erst als ihr Lächeln flehend wird, erlöst du sie: "Ofenfrisch vertrag´ ich nicht."
"Aber das macht doch nichts", freut sie sich, "ich hab´ auch noch ein paar ältere." Schwupp, schon ist sie abgetaucht, und als sie wieder hochkommt, rammelt sie mit dem Kopf gegen die offene Ofentür. Du hattest nur für einen Moment deine Mundwinkel vergessen, und erst als du ihr verdutztes Gesicht siehst, fallen sie dir wieder ein, und dir wird schlagartig klar: Verflucht, sie hat schon wieder gewonnen. Aber wie sollte es an so einem Tag auch anders laufen!
 
 

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